Eine Französin über Sachsen
Literaturinteressierte werden sicher den Spaziergang nach Syrakus von Johann Gottfried Seume kennen, zu ihm gibt es auf meinen Seiten ebenfalls eine biographische Notiz. Geschrieben 1802, stellt dieses Werk heute noch eine wichtige Beschreibung Italiens aus der Sicht eines Ausländers dar. Etwas ähnliches gibt es auch mit dem Titel: „Über Deutschland“, sogar fast zeitgleich im Jahre 1810 geschrieben. Verfasserin war Germaine de Stael-Holstein, die wir in der Folge der Kürze wegen Frau von Stael nennen wollen. Da in dem Buch auch etwas zu Sachsen dabei ist, erscheint es vielleicht ganz interessant, das Sachsen dieser Zeit aus der Sicht einer Ausländerin zu betrachten, auch wenn das die mittelsächsische Region selbst nicht enthalten ist.
Bevor wir Frau von Stael wenigstens kurz vorstellen, wollen wir uns ihren Ausführungen zuwenden. Leider sind nur ganze drei Seiten ihren Eindrücken von Sachsen gewidmet. Eigentlich schade, zumal der Vater ihres Begleiters August Wilhelm Schlegel ein in Meißen geborener Fabeldichter war – Johann Adolf Schlegel (auch zu ihm gibt es eine biographische Notiz bei mir).
Zurück zu Frau von Stael. Wenn wir ihre Worte besonders wirken lassen wollen, führen wir uns kurz die heutige Situation vor Augen, ohne gleich die PISA-Studie zu bemühen: an allen möglichen Stellen in Tourismus, Presse und Werbung werden deutsche Worte durch englische ersetzt, die Unterhaltung besteht aus Bierzelten, DSDS oder „Starsearch“. Bücher sind etwas, das man kaum noch kennt, Neid und Mißgunst dafür um so besser.
Und jetzt kommt Frau von Stael: „Nach der Anzahl der Bücher, die in Leipzig verkauft werden, kann man beurteilen, wie viele Leser die deutschen Schriftsteller haben. Die Arbeiter aller Klassen – sogar die Steinmetze – nehmen ein Buch zur Hand, wenn sie von ihrer Arbeit ausruhen. Man kann sich in Frankreich keine Vorstellung davon machen, wie allgemein die Bildung in Deutschland ist. Ich habe Gastwirte und Mautbeamte getroffen, die mit der französischen Literatur vertraut waren. Überall, sogar in den Dörfern, findet man Lehrer der lateinischen und der griechischen Sprache. Es gibt keine Kleinstadt, die nicht eine ziemlich gute Bibliothek besäße, und beinahe in jedem Ort kann man einige Personen namhaft machen, die durch ihre Talente und ihre Kenntnisse zu schätzen sind. Wenn man in dieser Beziehung die Provinzen Frankreichs mit Deutschland vergleichen wollte, müßte man zu dem Glauben kommen, daß die beiden Länder in ihrer Bildung drei Jahrhunderte auseinander liegen.“ Und das von einer Französin im Zeitalter Napoleons.
Bevor wir Frau von Stael wenigstens kurz vorstellen, wollen wir uns ihren Ausführungen zuwenden. Leider sind nur ganze drei Seiten ihren Eindrücken von Sachsen gewidmet. Eigentlich schade, zumal der Vater ihres Begleiters August Wilhelm Schlegel ein in Meißen geborener Fabeldichter war – Johann Adolf Schlegel (auch zu ihm gibt es eine biographische Notiz bei mir).
Zurück zu Frau von Stael. Wenn wir ihre Worte besonders wirken lassen wollen, führen wir uns kurz die heutige Situation vor Augen, ohne gleich die PISA-Studie zu bemühen: an allen möglichen Stellen in Tourismus, Presse und Werbung werden deutsche Worte durch englische ersetzt, die Unterhaltung besteht aus Bierzelten, DSDS oder „Starsearch“. Bücher sind etwas, das man kaum noch kennt, Neid und Mißgunst dafür um so besser.
Und jetzt kommt Frau von Stael: „Nach der Anzahl der Bücher, die in Leipzig verkauft werden, kann man beurteilen, wie viele Leser die deutschen Schriftsteller haben. Die Arbeiter aller Klassen – sogar die Steinmetze – nehmen ein Buch zur Hand, wenn sie von ihrer Arbeit ausruhen. Man kann sich in Frankreich keine Vorstellung davon machen, wie allgemein die Bildung in Deutschland ist. Ich habe Gastwirte und Mautbeamte getroffen, die mit der französischen Literatur vertraut waren. Überall, sogar in den Dörfern, findet man Lehrer der lateinischen und der griechischen Sprache. Es gibt keine Kleinstadt, die nicht eine ziemlich gute Bibliothek besäße, und beinahe in jedem Ort kann man einige Personen namhaft machen, die durch ihre Talente und ihre Kenntnisse zu schätzen sind. Wenn man in dieser Beziehung die Provinzen Frankreichs mit Deutschland vergleichen wollte, müßte man zu dem Glauben kommen, daß die beiden Länder in ihrer Bildung drei Jahrhunderte auseinander liegen.“ Und das von einer Französin im Zeitalter Napoleons.
Noch etwas zur Ehrlichkeit in sächsischen Landen: „... Die Biederkeit der Einwohner war so groß, daß einem Leipziger Bürger, der an einem Apfelbaum, den er am Rand der öffentlichen Promenade gepflanzt hatte, einen Zettel mit der Bitte anbrachte, man möge ihm nicht die Früchte wegnehmen, zehn Jahre lang nicht ein einziger Apfel gestohlen wurde. Ich habe diesen Apfelbaum mit einem Gefühl der Hochachtung betrachtet. Und wenn er der Baum der Hesperiden gewesen wäre, man würde an sein Gold nicht mehr gerührt haben als an seine Blüten.“
Wer war nun Frau von Stael? Im Jahre 1766 geboren, mußte sie nach Antritt der Dynastie Bonaparte bis zu Napoleons Ende überwiegend im Exil leben. Ihre Ansichten galten als gefährlich, und alle Bemühungen, in Frieden nach Paris zurückkehren zu können, scheiterten letztlich. Von 1804 an war August Wilhelm Schlegel für mehrere Jahre Begleiter auf ihren Reisen, die sie auch nach Deutschland (u.a. zu Goethe und Schiller) sowie nach Italien führten – auch über Italien gibt es ein Buch von ihr („Corinne“, 1807). Schlegel hatte dabei die Rolle eines Hauslehrers ihrer Kinder übernommen. Frau von Stael starb 1817.
Ihr Buch „Über Deutschland“ wurde noch vor dem eigentlichen Erscheinen in Frankreich verboten und eingestampft, was es allerdings nicht daran hindern sollte, über ein Jahrhundert lang das Bild Deutschlands in Frankreich zu prägen. Kein schlechtes Bild, wie der Übersetzer Robert Habs anmerkt: „ In der Tat gibt es in der gesamten französischen Literatur kein Werk, in dem ein fremdes Land und Volk mit so viel Liebe und zugleich Unparteilichkeit geschildert wird wie Deutschland und die Deutschen in dem Werk der Frau von Stael.“
Zum Schluß müssen wir noch aufklären, weshalb denn Napoleon 1810 die Erstauflage des Buches einstampfen lies. Ein von ihr selbst genannter Grund findet sich ganz am Ende ihres Buches, gewissermaßen als Schlußwort: „O Frankreich...! Wenn der Enthusiasmus eines Tages auf deinem Boden verlöschte, wenn die Berechnung alles bestimmte und der Verstand allein Verachtung der Gefahren erzeugte, wofür würden dir dann dein schöner Himmel, deine glänzenden Geister, deine fruchtbare Natur nützen? Eine tatkräftige Intelligenz, ein mit Wissen gepaartes Ungestüm würden dich zum Gebieter der Welt machen, aber du würdest nur die Spur von Sandströmen zurücklassen, die schrecklich sind wie Meeresfluten und unfruchtbar wie die Wüste.“ Die schreckliche Vision der Frau von Stael erfüllte sich nur wenige Jahre später bei Napoleons Rußlandfeldzug oder in der Leipziger Völkerschlacht.
Ihr Buch „Über Deutschland“ wurde noch vor dem eigentlichen Erscheinen in Frankreich verboten und eingestampft, was es allerdings nicht daran hindern sollte, über ein Jahrhundert lang das Bild Deutschlands in Frankreich zu prägen. Kein schlechtes Bild, wie der Übersetzer Robert Habs anmerkt: „ In der Tat gibt es in der gesamten französischen Literatur kein Werk, in dem ein fremdes Land und Volk mit so viel Liebe und zugleich Unparteilichkeit geschildert wird wie Deutschland und die Deutschen in dem Werk der Frau von Stael.“
Zum Schluß müssen wir noch aufklären, weshalb denn Napoleon 1810 die Erstauflage des Buches einstampfen lies. Ein von ihr selbst genannter Grund findet sich ganz am Ende ihres Buches, gewissermaßen als Schlußwort: „O Frankreich...! Wenn der Enthusiasmus eines Tages auf deinem Boden verlöschte, wenn die Berechnung alles bestimmte und der Verstand allein Verachtung der Gefahren erzeugte, wofür würden dir dann dein schöner Himmel, deine glänzenden Geister, deine fruchtbare Natur nützen? Eine tatkräftige Intelligenz, ein mit Wissen gepaartes Ungestüm würden dich zum Gebieter der Welt machen, aber du würdest nur die Spur von Sandströmen zurücklassen, die schrecklich sind wie Meeresfluten und unfruchtbar wie die Wüste.“ Die schreckliche Vision der Frau von Stael erfüllte sich nur wenige Jahre später bei Napoleons Rußlandfeldzug oder in der Leipziger Völkerschlacht.