Schrifsteller und Komponist in Leisnig
In den ersten Apriltagen des Jahres 1936 tritt ein Herr in Dresden an den Paketschalter eines Neustädter Postamtes. Er schiebt dem Beamten ein Päckchen hin. Der greift es sich, legt es auf die Waage und stutzt beim Betrachten der Anschrift. Dann lächelt er versonnen: „Der Franciscus! Der Franciscus!“
Nun staunt der Herr vor dem Schalter, denn er wußte genau, daß er den Vornamen des Empfängers nicht ausgeschrieben hatte: „Ja kennen Sie denn den Herrn Nagler?“ Darauf der Postbeamte: „Na - und ob, ich habe schon manches herrliche Lied von ihm gesungen - und die Jugenderinnerungen erst!“
Mit diesen Jugenderinnerungen hatte der musisch aufgeschlossene Postbeamte des Empfängers bekanntestes Werk gemeint, ein Bändchen Erinnerungen an seine Kindheit im Dorf Prausitz bei Riesa - „Dorfheimat“. Dort erblickte Franciscus am 22. Juli 1873 als 10. Kind der Prausitzer Lehrer- und Kantorfamilie Nagler das Licht der Welt. Die Erlebnisse der folgenden zehn Jahre seines Lebens - vom strengen Vater geführt, von der Mutter und den neun Geschwistern verwöhnt - finden sich 40 Jahre später in seiner „Dorfheimat“ wieder. Damit wird er im ganzen Sachsenland bekannt.
Als Zehnjähriger, inzwischen hat er seine schulischen wie musikalischen Begabungen bewiesen, darf er nach Leipzig zur Thomasschule. Dort begeistert er bei den Thomanern als Sopransolist. Mit Schmunzeln erzählt er später davon, wie ihn oft nach einem Konzert feine Damen der Gesellschaft auf ihren Schoß zogen und ihm Streicheleinheiten verpaßten...
Sein Vater indes sucht für seine Zukunft etwas Solides. „Fränzchen“ muß 1889 nach Dresden umziehen - aufs Fletchersche Lehrerseminar. Dort lernt er bis 1894. Die folgenden drei Jahre verbringt er in Dresden-Trachau als Hilfslehrer. Die pädagogische Wirklichkeit jedoch ist nicht sein Fall. Am Ende seiner Hilfslehrerzeit ermöglicht ihm eine seiner Schwestern die Rückkehr nach Leipzig, wo er 1897/98 das Konservatorium besucht.
Die Universitätssängerschaft - „Pauliner“ nannte man deren Jünger - ist eine d e r musikalischen Institutionen Leipzigs; sie hievt ihn empor: Franciscus darf an Stelle des erkrankten Universitätsmusikdirektors Kretzschmar zur Schillerfeier 1897 dirigieren. In gleicher Weise macht er sich einen Namen bei der Gestaltung der traditionellen Pauliner-Operetten. Diese Singspiele glossieren Ereignisse der Gegenwart.
Ein Jahr später erhält der nun schon recht renommierte Musikus den Ruf als Kantor in das Städtchen Limbach bei Chemnitz. Frisch verheiratet mit einem Bürgerstöchterchen aus Dresden, folgt er diesem Ruf. Seinem guten Namen als Musikant heftet er in Limbach weitere Meriten an, unter anderem durch sein Limbacher Vocal-Quartett. In der Familie stellt sich Nachwuchs ein - 1899 wird Töchterchen Irmgard geboren.
Nun staunt der Herr vor dem Schalter, denn er wußte genau, daß er den Vornamen des Empfängers nicht ausgeschrieben hatte: „Ja kennen Sie denn den Herrn Nagler?“ Darauf der Postbeamte: „Na - und ob, ich habe schon manches herrliche Lied von ihm gesungen - und die Jugenderinnerungen erst!“
Mit diesen Jugenderinnerungen hatte der musisch aufgeschlossene Postbeamte des Empfängers bekanntestes Werk gemeint, ein Bändchen Erinnerungen an seine Kindheit im Dorf Prausitz bei Riesa - „Dorfheimat“. Dort erblickte Franciscus am 22. Juli 1873 als 10. Kind der Prausitzer Lehrer- und Kantorfamilie Nagler das Licht der Welt. Die Erlebnisse der folgenden zehn Jahre seines Lebens - vom strengen Vater geführt, von der Mutter und den neun Geschwistern verwöhnt - finden sich 40 Jahre später in seiner „Dorfheimat“ wieder. Damit wird er im ganzen Sachsenland bekannt.
Als Zehnjähriger, inzwischen hat er seine schulischen wie musikalischen Begabungen bewiesen, darf er nach Leipzig zur Thomasschule. Dort begeistert er bei den Thomanern als Sopransolist. Mit Schmunzeln erzählt er später davon, wie ihn oft nach einem Konzert feine Damen der Gesellschaft auf ihren Schoß zogen und ihm Streicheleinheiten verpaßten...
Sein Vater indes sucht für seine Zukunft etwas Solides. „Fränzchen“ muß 1889 nach Dresden umziehen - aufs Fletchersche Lehrerseminar. Dort lernt er bis 1894. Die folgenden drei Jahre verbringt er in Dresden-Trachau als Hilfslehrer. Die pädagogische Wirklichkeit jedoch ist nicht sein Fall. Am Ende seiner Hilfslehrerzeit ermöglicht ihm eine seiner Schwestern die Rückkehr nach Leipzig, wo er 1897/98 das Konservatorium besucht.
Die Universitätssängerschaft - „Pauliner“ nannte man deren Jünger - ist eine d e r musikalischen Institutionen Leipzigs; sie hievt ihn empor: Franciscus darf an Stelle des erkrankten Universitätsmusikdirektors Kretzschmar zur Schillerfeier 1897 dirigieren. In gleicher Weise macht er sich einen Namen bei der Gestaltung der traditionellen Pauliner-Operetten. Diese Singspiele glossieren Ereignisse der Gegenwart.
Ein Jahr später erhält der nun schon recht renommierte Musikus den Ruf als Kantor in das Städtchen Limbach bei Chemnitz. Frisch verheiratet mit einem Bürgerstöchterchen aus Dresden, folgt er diesem Ruf. Seinem guten Namen als Musikant heftet er in Limbach weitere Meriten an, unter anderem durch sein Limbacher Vocal-Quartett. In der Familie stellt sich Nachwuchs ein - 1899 wird Töchterchen Irmgard geboren.
Als ihm 1902 eine besser besoldete Kantorstelle im Muldenstädtchen Leisnig angeboten wird, gibt es nicht viel zu überlegen. Bis 1936 heißt der kirchenmusikalische Leiter in Leisnig Franciscus Nagler. Dies erlebt seine Frau jedoch nicht mehr. Sie stirbt bereits 1904, nachdem sie zwei Jahre zuvor noch den Sohn Helmut auf die Welt gebracht hatte. Seine zweite Frau, die Heirat findet 1905 statt, wird die ehemalige Limbacher Quartett-Sopranistin Helene Busching. Ihr gemeinsamer Sohn Erhardt erblickt 1908 das Licht der Welt.
Um Leisnig macht sich der Musiker verdient, indem er die vergessene Kurrende wieder ins Leben ruft, als Dirigent verschiedene Chöre leitet und die kirchenmusikalische Literatur bereichert. Als Komponist und Verfasser des musikalischen Teils fast unzähliger Kinder- und Heimatfestspiele in Hunderten von Aufführungen, mit seinen Büchern, Gedichten, Märchen und zahlreichen Artikeln in Zeitschriften und Zeitungen setzt er seiner Wahlheimat Leisnig Denkmale. Auch eine kleines Büchlein zu Leisnig unter dem Titel „An der Stadtmauer“ stammt aus seiner Feder.
Fast möchte man ihn im Nachhinein mit einem Popidol von heute vergleichen, denn von 1915 an - als seine „Dorfheimat“ erscheint - bis zu seinem Weggang aus Leisnig 1936 rücken vor dem Kantorhaus am Leisniger Kirchplatz 4 Schulklassen und Lehrervereine, Chöre und einzelne Heimatfreunde an, um dem Sänger eines friedvollen und fröhlichen sächsischen Lebens ihre Referenz zu erweisen.
Eine kleine Geschichte: Franciscus versammelt zu der geplanten Aufführung eines seiner Kinderfestspiele seine Kurrendaner und ein paar andere Leisniger Kinder um sich. Zunächst spricht er über das Stück. Dann gehts ans Rollenverteilen. Anschließend will man mit den Probenvorbereitungen beginnen. Da merkt der Meister, daß ein Junge traurig herumsteht - er hat keine Rolle abbekommen. „Verhaltet euch mal ruhig. Ich bin gleich wieder da!“ ruft der Meister und entschwindet nach draußen. Ein erfahrener Festspielknabe tröstet den enttäuschten kleinen Mann: „Bass ma uff. Glei kummd dorr Kandorr widder und bringd ne Rulle vor dich midd!“ Und so geschieht es.
Ab 1936 darf Franciscus Nagler in Dresden mit seiner Frau, der Familie und Freunden in so manchen Eckchen Sachsens ein paar herrliche Jahre verbringen. Dann kam der Krieg. Dann starb ihm die Frau, und dann starb „sein“ Dresden. Nach dem Ende des Krieges kehrt er nach Leisnig zurück. Weder seine körperliche Verfassung noch der Zeitgeist mögen Lust und Kraft zu neuen Taten anzuregen. Sein liebenswerter Plauderton ist ohnehin nicht mehr gefragt. Am 4. Juni 1957 stirbt er in seinem Leisnig.
Von den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ 1934 aufgefordert, zeichnete Franciscus Nagler folgendes Bild von sich selbst: „Weder der Jüngling noch der Mann hat es sich nehmen lassen, den Alltag stets aufs Neue in verklärender Weise zu sehen. Auch unter den harten Zugriffen des Lebens. Freude zu schöpfen und noch mehr zu verschenken, erhaben zu sein und andere zu erheben, gilt mir seit je als die herrlichste Aufgabe ... Ich sah den Reichtum wertvollen Geschehens bei Brauch und Sitte an Alltag und Fest in der nahen und nächsten Umwelt, in der ewig Wunder zeugenden Heimat, nahm mit vollen Händen und lachendem Herzen, sann und formte, plauderte und sang...“
Um Leisnig macht sich der Musiker verdient, indem er die vergessene Kurrende wieder ins Leben ruft, als Dirigent verschiedene Chöre leitet und die kirchenmusikalische Literatur bereichert. Als Komponist und Verfasser des musikalischen Teils fast unzähliger Kinder- und Heimatfestspiele in Hunderten von Aufführungen, mit seinen Büchern, Gedichten, Märchen und zahlreichen Artikeln in Zeitschriften und Zeitungen setzt er seiner Wahlheimat Leisnig Denkmale. Auch eine kleines Büchlein zu Leisnig unter dem Titel „An der Stadtmauer“ stammt aus seiner Feder.
Fast möchte man ihn im Nachhinein mit einem Popidol von heute vergleichen, denn von 1915 an - als seine „Dorfheimat“ erscheint - bis zu seinem Weggang aus Leisnig 1936 rücken vor dem Kantorhaus am Leisniger Kirchplatz 4 Schulklassen und Lehrervereine, Chöre und einzelne Heimatfreunde an, um dem Sänger eines friedvollen und fröhlichen sächsischen Lebens ihre Referenz zu erweisen.
Eine kleine Geschichte: Franciscus versammelt zu der geplanten Aufführung eines seiner Kinderfestspiele seine Kurrendaner und ein paar andere Leisniger Kinder um sich. Zunächst spricht er über das Stück. Dann gehts ans Rollenverteilen. Anschließend will man mit den Probenvorbereitungen beginnen. Da merkt der Meister, daß ein Junge traurig herumsteht - er hat keine Rolle abbekommen. „Verhaltet euch mal ruhig. Ich bin gleich wieder da!“ ruft der Meister und entschwindet nach draußen. Ein erfahrener Festspielknabe tröstet den enttäuschten kleinen Mann: „Bass ma uff. Glei kummd dorr Kandorr widder und bringd ne Rulle vor dich midd!“ Und so geschieht es.
Ab 1936 darf Franciscus Nagler in Dresden mit seiner Frau, der Familie und Freunden in so manchen Eckchen Sachsens ein paar herrliche Jahre verbringen. Dann kam der Krieg. Dann starb ihm die Frau, und dann starb „sein“ Dresden. Nach dem Ende des Krieges kehrt er nach Leisnig zurück. Weder seine körperliche Verfassung noch der Zeitgeist mögen Lust und Kraft zu neuen Taten anzuregen. Sein liebenswerter Plauderton ist ohnehin nicht mehr gefragt. Am 4. Juni 1957 stirbt er in seinem Leisnig.
Von den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ 1934 aufgefordert, zeichnete Franciscus Nagler folgendes Bild von sich selbst: „Weder der Jüngling noch der Mann hat es sich nehmen lassen, den Alltag stets aufs Neue in verklärender Weise zu sehen. Auch unter den harten Zugriffen des Lebens. Freude zu schöpfen und noch mehr zu verschenken, erhaben zu sein und andere zu erheben, gilt mir seit je als die herrlichste Aufgabe ... Ich sah den Reichtum wertvollen Geschehens bei Brauch und Sitte an Alltag und Fest in der nahen und nächsten Umwelt, in der ewig Wunder zeugenden Heimat, nahm mit vollen Händen und lachendem Herzen, sann und formte, plauderte und sang...“