Dichter und Diakon in Zehren
Als Gottlieb Fuchs am 12. April 1721 im Osterzgebirge geboren wird, steht die Armut an seiner Wiege Pate. Sie bleibt sein Schicksal über die Kindheit und die Jugend bis in seine jungen Mannesjahre. Erst mit 17 kommt er auf das Freiberger Gymnasium und mit 24 zur Universität Leipzig. In seinem 2. Studienjahr, als er schon aufgeben will, wird er durch einige Gedichte bekannt - als der „dichtende Bauernsohn“. Der Dichter Friedrich v. Hagedorn läßt daraufhin für ihn sammeln. Fuchs kann dadurch sein Theologiestudium beenden, wird Informator (Privatlehrer) und heiratet. Im Jahr 1752 kommt er als Diakonus nach Zehren, das vielen durch den steilen Anstieg der B 6, aus dem Elbtal heraus auf die Hochebene der Lommatzscher Pflege, bekannt ist. Zunächst verbringt Fuchs dort ein paar Jahre friedlichen Lebens. Da ziehen am 5. September 1756 plötzlich nicht enden wollende Militärkolonnen heran: Mit 800 Pferden und 100 Kanonen machen sich die Preußen breit.
Bereits 1753 war dem jungen Ehepaar Fuchs eine Tochter geboren worden, die allerdings nur drei Wochen am Leben blieb. Dem schnellen Tod dieses Mädchens folgen noch vor Ausbruch des Krieges weitere Unglücke auf dem Fuß - nach vielstündigen Geburtsschmerzen wird die Frau des Diakonus in den beiden folgenden Jahren von einer toten Tochter und einem toten Knaben entbunden. Dennoch hat Gottlieb Fuchs später überwiegend angenehme Erinnerungen an die Vorkriegszeit, denn zwei Jahre vor seinem Tod 1799 erinnert er sich: „... mitten in meine zehrischen Glücksjahre stürzte sich der ... siebenjährige Krieg, und vom Anfange bis zum Ende traf derselbe unsere Gegend hart und schrecklich. Dreymal wurde ich ganz ausgeplündert und grausam mißhandelt. Meine junge muntre Ehegattin ... wurde durch immerwährende Schrecknisse und Beängstigungen zuletzt völlig contract ... und blieb es ganze 37 Jahre bis an ihr Ende ... Ich hatte sie zwey und vierzig Jahre gehabt. Fünf Jahre gesund, munter, aufgeräumt - und sieben und dreyßig Jahre siech, gichtbrüchig, lahm, und niemals ohne Schmerzen.“
Am 7. Februar 1757 wird dem Paar erneut ein Knabe geboren, und besonders der Vater häuft seine ganze Hoffnung auf dieses Bündelchen Mensch: Christian Gottlieb wird das Baby getauft. Nehmen wir das Traurige vorweg: Etwas über zwei Jahre danach stirbt Klein-Christian-Gottlieb am 25. Februar 1759 mitten in der Nacht „...halb 1 Uhr...“. Todesursache: Blattern, später Pocken genannt, d i e Seuche dieser Zeit. Nur die 1758 geborene Tochter Christiana Eleonora wird länger als ihre Eltern leben. Die Kriegsparteien hatten bald mitbekommen, daß die Gegend südlich von Zehren nicht nur reiche Verpflegung bot, sondern gar mit den sie umgebenden Bergrücken und den sie begrenzenden Flußtälern wie eine riesige, natürliche Festung dem, der dort saß, Schutz bot. In Zehren liefen alle aus südlichen Richtungen kommenden Straßen zusammen.
Mit dem Krieg machten sich auch die Kriegsgewinnler und ihre Handlanger breit - z.B. durch Mehlschiebereien. 1761 starben in Zehren 4 Bäckersleute, ein preußischer Bäckerbursche und - der Vorgesetzte unseres Diakonus, der Pfarrer. Wie sich erst nach dem Krieg herausstellte, waren sie allesamt durch eine umherziehende Giftmischerin umgebracht worden. Diese 19fache Mörderin wurde später im nahen Boritz entlarvt und hingerichtet: „... mit glühenden Zangen ... gerissen, mit dem Rade von unten auf zerstoßen...“.
Doch den Diakonus beschäftigen auch erfreuliche Ereignisse. Allein von Juni bis September 1761 darf er am Altar nicht weniger als 12 preußischen bzw. gemischtnationalen Paaren den Ehesegen erteilen. Die Herren gehören überwiegend preußischen Freibataillonen an, die Damen stammen aus der Umgebung, sowie aus Holland, Flandern, Jena, Halle und Troppau.
In seiner Predigt zum Kriegsende, am 5. September 1763, blickt Gottlieb Fuchs zurück auf die schlimmen Jahre des Krieges: „... unzählige Arten von Elend, bey denen wir vielmals weder Hylf noch Trost mehr wußten und schier vergehen wollten über dem Würgen ... Wenn man unsern Jammer wöge und unser Leiden zusammen in eine Waage legte, so würde es schwerer seyn, denn Sand am Meere.“
1770 wird Fuchs nach 18 Amtsjahren als Diakonus in Zehren endlich Pfarrer im nahen Taubenheim. Ein Jahr später veröffentlicht er ein Bändchen, an dessen Ende ein Gedicht „An einen Freund, auf den Tod eines kleinen Kindes“ steht, das unser Dichter wohl schon früher geschrieben hat:
...O blühender Garten! O glückliches Land!
Ein Ausfluß der Hölle hat alles verbrannt.
Ich sehe kein Eden, das Wollust ertheilet;
Ich sehe nur Wüsten, in welchen es heulet ...
In früherer Zeit stupste er die Welt lächelnd und voll Übermut vor sich her; jetzt ist sie dem Pfarrer zum Trauma geworden. Die frohe Natürlichkeit, mit der er einst neben Gott durchs Leben ging, weicht seit diesen Kriegsjahren immer mehr dem Ernst. Im Jahr 1787 als Eremitus nach Meißen gegangen, stirbt am 16. April 1799 mit Gottlieb Fuchs ein Mann, der mit Naturlyrik, heiteren und gesellschaftskritischen Gedichten und einem Lustspiel seinen Dichterruhm begründet hatte.
Zwei Generationen lang wird man einige seiner Gedichte nachdrucken, seiner in Lexika gedenken. Dann beginnen ihn die Literaturpäpste aus ihren Listen zu streichen. Nur vereinzelt nennen ihn sächsische Publikationen auch noch später. Dabei drängen sich seine Werke und seine erhalten gebliebenen Briefe auch den Menschen von heute geradezu auf.